Märkische Allgemeine | 22.06.2010
Pianistin Claire Chevallier bringt ihren Flügel mit
POTSDAM / SANSSOUCI
Streicher und Bläser bringen selbstverständlich ihr eigenes Instrument mit zum Konzert. Pianisten und Organisten aber spielen ausnahmslos auf vorhandenen Instrumenten. Es sei denn, es handelt sich um Sammler wie die französische Pianistin Claire Chevallier. Für ihren Soloauftritt im Raffaelsaal der Orangerie von Sanssouci bei den Musikfestspielen reiste sie mit dem wertvollen ürat-Flügel von 1905 an; das gab dem Konzert erst den richtigen Klaviersound. Als anerkannte Fachfrau für historische Hammerklaviere gab sie einen Überblick zur Klaviermusik der Entstehungszeit des üratIstrumentes. Französische Klaviermusik des „Fin-de-sidcle”, dem Abschluss des so ergiebigen 19. Jahrhunderts, bestimmte den Vortrag – eine Entdeckungsreise. Den „Karneval der Tiere” oder eines der fünf Klavierkonzerte von Camille Saint-Saüns können als bekannt vorausgesetzt werden, doch mit den Soloklavierwerk sieht das anders aus. „Danse de la Gispsy”, „Souvenir d’ Ismailia” oder die Etüde „Les cloches de Las Palmas” hatten Lisztsches Pianistenformat in Schwierigkeitsgrad und Satzbau. Die jeweils drei „Gymnopddies” und Gnossiennes von Eric Satie nahm die junge Pianistin zu gewichtig. „Lent” heißt sicher langsam, doch wenn das Tempo derartig reduziert wird, gehen alle musikalischen Linien unter, und es entsteht der Eindruck einer unabsichtlichen Akkord- und Tonanreihung.
Danach aber gab es Feuer von Claude Debussy. Seine „Tarantelle styrienne” hatte spanisches Kolorit und südländisches Temperament. Kupfer- oder holzschnittartig wirkten die beiden Stücke aus Debussys „Estampes” von 1903. Unter dem Eindruck der Pariser Weltausstellung 1889 kam auch für Debussy die „Sehnsucht nach der Ferne” verstärkt auf, und in „Pagodes” oder „Soirde dans Grenade” gab er dieser Sehnsucht Ausdruck. Der „Rausschmeißer” und die größte Herausforderung war die „Fantasia b&tica” von Manuel de Falla: Wilde Läufe, dissonante oder große Akkorde bis zu ausgelassenen glissandi, das zählt zum Schwersten der Klaviersololiteratur. Ein heftig beklatschter Abend, der nichts an Wirkung einbüsste, nur weil die Pianistin vom Blatt spielte. (mamü)